Welche Verluste kann der Ruhestand mit sich bringen? 

Wenn wir über die Verluste nachdenken, die mit dem Eintritt in den Ruhestand einhergehen, müssen wir sie unter dem Gesichtspunkt der offensichtlichen Verluste und der versteckten Verluste betrachten. Was meine ich damit?

Es gibt die offensichtlichen Verluste, wie den Verlust des Status oder des Titels, den man durch seine Arbeit erlangt hat, den Verlust der Struktur, die den Tagesablauf bestimmte, den Verlust der Zeit, die man mit den Kollegen verbracht hat.

All diese Veränderungen geschehen meist über Nacht und können einen kleinen Schock für uns bedeuten, wenn wir feststellen, dass wir keinen verlängerten Urlaub machen, sondern tatsächlich nicht mehr arbeiten

Und dann sind da noch die versteckten Verluste. Viele von uns machen ihren Selbstwert, ihre Fähigkeiten und ihre Persönlichkeit von ihrer Arbeit abhängig. Wenn wir nicht mehr arbeiten, fühlen wir uns vielleicht verloren, leer und zwecklos. Wir trauern über diese Verluste und haben vielleicht Schwierigkeiten zu erklären, warum wir trauern.  

Wie können diese Verluste empfunden werden?

Die Erfahrung von Trauer ist für jeden Menschen sehr individuell. Einige Anzeichen dafür, dass Sie eine versteckte Trauer erleben, sind:

• Sie werden leicht emotional, wenn Sie über Ihren Ruhestand sprechen oder wenn Sie gefragt werden, was Sie jetzt in Ihrer Freizeit tun
• Sie haben Schwierigkeiten, einen Sinn in Ihrem Leben zu finden
• reaktiver zu sein und sich über kleine Dinge zu ärgern
• das Gefühl, dass Sie immer beschäftigt sein müssen und sich nicht entspannen dürfen
• das Gefühl, nicht mehr so gebraucht zu werden oder nicht mehr so wertvoll zu sein, weil man nicht mehr arbeitet
• sich innerlich leer fühlen, fast wie eine Mini-Depression
• Überinvestitionen und übermäßiges Engagement in Freiwilligenprojekten, damit Sie das Gefühl haben, etwas erreicht zu haben

Warum ist es für die Menschen wichtig, sich mit diesen Verlusten auseinanderzusetzen?

Wenn wir bereit sind, uns unseren Verlusten und den Herausforderungen zu stellen, die mit Übergängen und Veränderungen verbunden sind, fällt es uns leichter, sie zu bewältigen. Was will ich damit sagen?

Jedes Mal, wenn Sie versuchen, eine Herausforderung zu vermeiden oder sich davor zu drücken, haben Sie wahrscheinlich die Erfahrung gemacht, dass eine Last auf Ihren Schultern lastet. Das Aufschieben macht es schlimmer als sich der Herausforderung zu stellen.

Genauso verhält es sich mit der Arbeit an Ihrem Kummer. Wenn Sie bereit sind, sich mit den Dingen auseinanderzusetzen, die Sie verloren haben, oder mit den Veränderungen, die Sie durchmachen, dann werden Sie herausfinden, wie Sie mit diesen Gefühlen besser umgehen können. Sie werden auch feststellen, dass Sie nicht allein sind, wenn Sie sich mit anderen austauschen, die ähnliche Erfahrungen machen oder die bereits die ersten Erfahrungen mit dem Ruhestand gemacht haben.

Auch wenn Sie Ihr Bestes tun, um dies zu vermeiden, landen viele Menschen mit Verdauungsproblemen, Muskelverspannungen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Blutdruckproblemen in der Arztpraxis. Wir versuchen, unsere Gefühle zu unterdrücken, aber unser Körper reagiert und sucht nach einem Ventil.

Gibt es einen Unterschied, wie Frauen und Männern mit Verlusten umgehen?

Ja und nein. Männer neigen dazu, Gefühle wie Traurigkeit, Scham, Verlegenheit und Einsamkeit durch Wut zu verarbeiten. Sie reagieren vielleicht eher reaktiv und defensiv gegenüber anderen, damit sie die Traurigkeit und den Verlust nicht spüren müssen.

Frauen neigen dazu, emotionaler und trauriger zu sein. Sie neigen auch dazu, sich übermäßig zu engagieren und sich freiwillig für Dinge zu melden, um die Leere des Verlustgefühls zu füllen.

Bei beiden sehen wir süchtige Verhaltensweisen, um mit dem Verlust fertig zu werden. Einige Beispiele dafür sind ein erhöhter Alkoholkonsum, übermäßiges Einkaufen, Essanfälle und mehr Zeit am Telefon, Computer und Fernseher. Mit diesen Verhaltensweisen versuchen sie, den Verlust und die Trauer nicht spüren zu müssen. All dies sind gute Indikatoren dafür, dass es an der Zeit ist, sich mit dem auseinanderzusetzen, was wirklich los ist.

Was sind gute Ansätze, um mit diesen Verlusten umzugehen?

An erster Stelle steht die Anerkennung des Verlustes.

Ähnlich wie bei einer Beerdigung brauchen wir einen praktischen Abschluss für das Ende unserer Arbeitszeit. Wie das aussieht, ist für jeden anders. Manche finden es vielleicht hilfreich, eine große Wanderung zu machen oder an einen neuen Ort zu reisen, um das Ende der Arbeit zu feiern. Nehmen Sie sich Zeit, um aufzuschreiben, wofür Sie für die Jahre Ihrer Arbeit dankbar sind, was Sie über sich selbst gelernt haben und was Sie in diesem neuen Kapitel Ihres Lebens lernen möchten. Es ist auch wichtig, sich all die Gefühle und Unsicherheiten einzugestehen, die mit dem Eintritt in den Ruhestand einhergehen.

Dies ist auch ein Neuanfang. Wenn Sie eine Abschlussübung zulassen, um das Ende zu unterstützen, werden Sie sich mehr auf das freuen, was als nächstes kommen könnte. Gespräche mit anderen, die bereits im Ruhestand sind oder diesen gerade durchleben, können helfen, all die Dinge, die Sie denken und fühlen, zu normalisieren.

Und schließlich sollten Sie ehrlich zu sich selbst sein.
An manchen Tagen müssen Sie vielleicht einfach nur traurig sein, an anderen freuen Sie sich vielleicht darauf, sich mit Freunden zu treffen, die Sie schon lange nicht mehr gesehen haben.

Wenn Sie sich regelmäßig leer und vom Leben abgekoppelt fühlen, empfehle ich Ihnen, sich an einen Psychologen oder Coach zu wenden, der Sie unterstützt. Es ist alles in Ordnung. Vielleicht brauchen Sie einfach nur einen Gesprächspartner, mit dem Sie über das reden können, was Sie gerade durchmachen, und jemanden, der Ihnen helfen kann, dieses neue Kapitel aus einer neuen Perspektive zu sehen.

Lassen Sie zu, dass dieses neue Kapitel mit all seinen Gedanken und Gefühlen kommt und erinnern Sie sich daran.